# 2 –Die Käseplatte🧀

Als Sängerin auf der Bühne fühle ich mich ab und an wie ein Stück Frischfleisch in Löwengehege, ein Gemälde im Museum, die neuste Sensation oder eine Neuheit an der jährlichen Weindegustation. 

In den allermeisten Fällen singe ich vor kleinem Publikum, nämlich vor meiner Wenigkeit. Ein vertrautes Gefühl. 

Nicht selten sitze ich da als eine kritische Zuhörerin („Das war ganz okey, aber diese eine Stelle im Song…“), manchmal verfalle ich in tosenden Freudejubel („OMG…I love it!“), hin und wieder höre ich gar nicht hin („Langweilig!“), ab und an halte ich mir förmlich die Hände vors Gesicht und schaue hinter vorgehaltener Hand in meine Richtung, vorsichtig die Ohren öffnend („Damit willst du aber nicht wirklich an die Öffentlichkeit oder?“) oder sitze da und lasse mich berieseln („feel“).

Zugegeben ist es eine nette Abwechslung, an meinen Auftritten in neue Gesichter zu blicken, zu welchen die Ohren gehören, die meiner Stimme lauschen. Wie sehr liebe ich doch mein Publikum. Viel eher sollte ich wohl sagen „meine Publika“ :). Denn das eine Publikum gibt es nicht. 

Dass ich nach wie vor in ganzen Stücken existiere, ist verwunderlich, denn auf der Bühne werde ich als Sängerin mit Blicken gelöchert wie ein Emmentaler-Käse🧀. Doch was die meisten nicht wissen, dass auch sie als „Publika“ gelöchert werden – von mir ;).

Gerne mache ich mir während meinen Auftritten einen kleinen Spass daraus, meine Hörerschaft zu beobachten und sie den einzelnen Käsesorten zuzuordnen. 

Darf ich vorstellen: 

🫴„Meine Publika“:
*Diese Unterteilung ist lückenhaft, 100% lieb gemeint, 0% ernst zu nehmen und darf gerne auch als Selbsttest verwendet werden 😉 .

Scanner
Kritischer Blick – von oben nach unten und von unten nach oben (repeat) mit leicht pessimistischer Grundhaltung.
„Wer ist das?“
„Die will singen?“
„Dieses Kleid….huiuiui, eine Kleiderberatung wäre wohl auch nicht schlecht.“
„Mal schauen, ob das was wird.“

GLÜHwürmchen
Die Augen leuchten, zuvorderst auf der Stuhlkante sitzend, hören sie begeistert zu. Dabei wippen sie mit dem Fuss, „klöpfeln“ leicht mit dem Zeigefinger auf dem Tisch und lächeln dabei fortwährend.

IgnOHRant*innen
In tiefe Gespräche versunken oder in die Leere starrend. Applaus wird genutzt, um das Glas endlich wieder mit Wasser nachzufüllen und den trockenen Hals zu befeuchten.
„Wie bitte? Musik? Wo?“
„Vielen Dank, das Essen war wirklich lecker.“

Toxische PositiviTÄTER*innen
Lieben ALLES – Die Stimme, die Musik, die Farbe des Fadens im Kleid der Sängerin und den falsche Ton beim dritten Song („Das Tüpfelchen auf dem i“).

Solo-Geniesser*innen
Sie sind wegen der Musik da und hören aufmerksam, interessiert und still zu. Ihnen entgeht nicht, dass dem Auftritt auf der Bühne auch eine längere Vorbereitungszeit vorangeht.
„Musik und die Künstlerin verdienen Respekt.“

„Ich mache übrigens auch Musik“
Die Gruppe an Zuhörer*innen, welche selbst begnadete Musiker*innen sind. So oft entstehen spannende Gespräche übers Chorsingen, Mikrophon-Marken, Lieblingskünstler*innen, Ausbildungen…

Mistake-Picker
Ständig auf der Lau(sch)er entgeht ihren Ohren keine Ungereimtheit. Diese wird sogleich mit gequältem Blick zum Ausdruck gebracht. 

PartiziPANTHER
Sie sitzen schaukelnd da und schwelgen in der Musik. Dabei lassen sie sich keine Chance entgehen, während ihren Lieblingssongs mit geschlossenen Augen mitzusingen.

AntiquariARTist*innen
„Diese neue Musik kann man ja nicht mehr hören! Früher hat man wenigstens noch etwas verstanden.“

Die Dankbaren
Sie strecken ihr Herz aus, lassen sich vom Klang tragen und dabei in euphonische Stimmung einhüllen.

Die (Bra)Tratschen
(…der erste Song erklingt in wohlig-ruhiger Atmosphäre) „Hey Gertrud, hast du gewusst? Der Hund von Paul musste sich an der rechten Pfote operieren lassen…!“
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Und dann bist da noch DU – mein liebstes Publikum! 🫶

 

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